Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Von fehlgeleiteten Spezies und Bayern – DM Standard-Distanz in Beilngries, 18. August 2019

Nicht einmal eine Woche lag zwischen den beiden Deutschen Meisterschaften über die Sprint- und die olympische Distanz, die in diesem Jahr in Bayern stattfand. Es war also eine Turbo-Regeneration angesagt, um in den Bergen den Einheimischen Paroli bieten zu können. Scheinbar ist mir das mit der Regeneration geglückt. Aber eines habe ich noch mit einer gewissen Spezies zu bereden!

Dass in Bayern die Uhren anders ticken, wird ja immer wieder propagiert. Einen cholerischen Anfall eines Helfers hätte ich aber nicht unbedingt darunter verstanden. Als Peti und ich am Vortag durch die Wechselzone schlendern, um uns mit den Gegebenheiten vertraut zu machen, fragt uns der Typ, was wir wollen. Mit unserer Antwort scheint er nicht zufrieden zu sein und fährt sofort hoch. Ich verstehe zwar nicht jedes Wort, aber am liebsten hätte er uns wohl im Main-Donau-Kanal als lebende Bojen versenkt. Fluchtartig verlassen wir das Gelände, um am

nächsten Tag zuzuschlagen. 😉

Aber erstmal schlägt fast ein Wettkampfrichter bei mir zu. Ich habe ja schon viel erlebt. Erst neulich in Pontevedra, als mein Rad mit einem Scanner auf einen Elektromotor hin untersucht wurde. Aber dieser Kampfrichter nimmt es besonders genau. Beim Check-In muss ich meinen Helm absetzen, den er genau inspiziert. Er meint, dass es mal eine Rückrufaktion für diesen Helmtyp gab (den ich jetzt schon seit 15 Jahren habe!). Als er die Fragezeichen in meinen Augen erkennt und er auch nicht weiß, was diese Aussage jetzt für Konsequenzen hat, lässt er mich passieren. „Was war das denn jetzt?!“

Jetzt folgen die so oft praktizierten gleichen Abläufe: Wechselplatz einrichten, Laufwege einprägen, konzentrieren, warmlaufen. „Doch halt! Was ist das? Das wäre ja fast in die Hose gegangen!“ Direkt an meinem Wechselplatz liegen Glasscherben. Gut, dass ich die noch gesehen habe. Ich möchte schließlich nicht „den Kienle machen“, der sich beim IM Frankfurt eine Glasscherbe in den Fuß gerammt hat.

Das Starterfeld aus insgesamt ca. 600 Athleten wurde in vier Gruppen eingeteilt. Grün markiert, starte meine als dritte Gruppe um 13:10 Uhr. Die äußeren Bedingungen sind perfekt: 22 °C, bedeckter Himmel, kaum Wind. Das Wasser ist mit 18,7 °C recht frisch. Doch weil ich schon beim Puhlen in die schwarze Pelle ins Schwitzen komme, freue ich mich auf diese Abkühlung. Zwei Gruppen sind schon weg. Jetzt sind wir dran, den Kanal zu durchwühlen. Unsere Wendeboje sehe ich nicht, weil der Kanal einen Linksbogen macht. „Na ja, wird schon jemand vor mir herschwimmen 😉“ „Noch eine Minute bis zum Start“, dröhnt es aus dem Lautsprecher. Ich reihe mich an der imaginären Startlinie im Wasser auf . . . und Peng! Ab geht’s.

Meine Stammposition (außen) nimmt mir keiner, sodass ich gut reinkomme. Nach 200 m finde ich perfekte Füße: mein Tempo, kaum Beinschlag. Ideal zum Hinterherschwimmen! Ich muss kaum aufschauen. „Der Typ wird sich schon nicht in einem Kanal verschwimmen“. Im Gegenteil, er schwimmt ziemlich geradlinig. Auch, als plötzlich Gelb- und Orange-Kappen vor uns auftauchen, die fünf Minuten vor uns gestartet sind! Und das bereits nach 500 m! Mein Vordermann bahnt sich für uns einen Weg durch’s Athletenfeld. Danke! Nach 22:22 min bleibt meine Uhr stehen. „Wow“, bin selbst überrascht! Peti ruft mir zu: „Eine Minute auf Olaf“, den Führenden in meiner Altersklasse nach dem Schwimmen. Jetzt aber los. Auf Nachfrage meint Peti dann: „Okay, eineinhalb.“ „Hä? Oder doch zwei?“ Keine Ahnung. Die Größenordnung passt.

Beim Radaufstieg wird es eng. Das sollte ein Zeichen für die gesamte Radstrecke werden. „Mist! Was ist das?“ Beim Reinschlüpfen in meinen Radschuh rutscht die Lasche aus der Öse. „Oh nein!“ Auf den ersten 500 m versuche ich akrobatisch, das Problem zu lösen. Schließlich muss der Radschuh beim anstehenden Bergritt fest sitzen. Ich verliere kostbare Zeit. „Hoffentlich ist sie gut investiert!“ Keine Zeit zum Verschnaufen, denn schon geht es in den ersten ca. 5 km langen Anstieg. Kleines Blatt, hohe Frequenz und Aeroposition. Peti und ich hatten schon Angst, dass die uns hier auslachen, wenn wir mit Zeitfahrrädern und geschweige denn Scheibe ankommen. Doch der Anstieg lässt sich

gut fahren. Nach einer ein Kilometer langen Anfahrt geht es auf die Runde, die zweimal zu durchfahren ist. Wohl gemerkt: immer noch bergauf. Im Schnitt 5%. Platz um Platz mache ich gut. Ich verliere den Überblick. Mittlerweile haben sich zu den Gelb- und Orange-Kappen auch noch Silber-Kappen gesellt, die 10 min vor mir gestartet sind. Doch dann ein Lichtblick: Am Ende des 5 km langen Anstiegs kann ich Olaf überholen. „Wow, eineinhalb Minuten bereits gut gemacht.“ Das beflügelt. Nun geht’s los. Abfahrt, Kurve, wellige lange Gerade und dann . . . Hammerabfahrt! Treten kann ich nicht mehr. Die Aeroposition traue ich mich auch nicht mehr. Krampfhaft umgreife ich meinen Lenker und riskiere einen Blick auf’s Tacho: 81 Sachen! Läuft! Kurzes Flachstück und hinein in den nächsten Anstieg und auf die zweite Runde. „Na nu, ist der Berg steiler geworden?“ Egal, die Relativgeschwindigkeit zu den anderen passt. Und als ich so über die Wellen dahinfliege kommt von irgendwoher die eingangs erwähnte Spezies namens Wespe. „Leute! Warum immer ich?“ Das Ding fliegt mir zwischen Helm und Brille und sticht mir instantan und ohne Vorwarnung in die Schläfe! „Das passiert mir jetzt schon zum dritten Mal in

dieser Saison in einem Wettkampf! Liegt es an der Farbe meines Helmes?“ Die anderen möglichen Gründe erspare ich mir jetzt mal, denn zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Gleich kommt ein zweites Mal die Hammer-Abfahrt. Ich muss mich kurz aufrichten und versuche mit dem Finger das Ding von Wespe unter dem Helm wegzufrickeln. „Ich muss mal mit Eurem Boss reden!“

Als ich die Wechselzone erreiche, ist mein Startblock fast leer. Keine Räder in der grünen Zone. Immerhin habe ich mich mit einem 39,9er Schnitt und der drittbesten Radzeit im gesamten Feld weit nach vorne gearbeitet. „Doch was ist das?“ Ca. 50 m voraus verlässt eine Grün-Kappe die

Wechselzone. „Nichts wie hinterher!“ Deja vú? Wie in Bremen letzte Woche. Er schaut sich um und erkennt auch meine grüne Nummer. Das Rennen ist eröffnet. Ich weiß nicht, wie alt er ist.

Im Wettkampf können meine Laktat-geschwängerten Augen sowieso nicht mehr richtig gucken. Jedenfalls hat er verdammt schnelle Beine! Über einen Kilometer brauche ich um an ihn ranzulaufen. „Welche Altersklasse bist Du?“, fiepe ich aus dem letzten Loch. „So wie Du“, sagt er. „Kann er mich denn richtig einschätzen?“ Ich hake nach: „Welche Altersklasse?“ „M40“, lautet die Antwort, worauf ich mit letzter Mühe auf mich zeige und meine: „M50“. Erleichterung steht uns beiden ins Gesicht geschrieben und wir beschließen, gemeinsame Sache zu machen: Lässt er nach, halte ich das Tempo hoch und umgekehrt. So gelingt es uns konstant zwischen 3:32 und 3:37 min pro Kilometer zu laufen. „Wow!“ Und wir kontrollieren uns beim Rundenzählen, was sich auf den dreidreiviertel Runden durch die Innenstadt von Beilngries nicht einfach ist. Die letzte Runde zieht Michael – so heißt meine spontane Laufbekanntschaft – hinter sich her. Danke! Vier Sekunden nach ihm erreiche ich mit einer Laufzeit von 34:13 min über 9,5 km als Gesamt-Fünfter das Ziel! „Wahnsinn! Wie geil ist das denn?!“ Erst fast zwei Stunden nach dem Zieleinlauf erfahre ich aus dem Welt-Weit-Netz, dass ich auch meine Altersklasse gewonnen habe – und das mit fast achteinhalb Minuten Vorsprung! Ich bin sprachlos!

Mein Kumpel Peti, der keinen Startplatz mehr für die Deutsche Meisterschaft erhalten und nur mir zuliebe diese lange Reise angetreten hat, macht auch ein klasse Rennen über die Sprintdistanz, gewinnt seine Altersklasse deutlich mit viereinhalb Minuten Vorsprung und wird im starken Feld Gesamt-Neunter – vor einer Elite Triathletin! Ach ja, eine Anekdote habe ich noch: Als wir kurz an unserer Unterkunft parken, um die Räder auszuladen, ruft jemand: „Ey, Meister!“ „Wow“, denke ich, „das spricht sich ja schnell bei den Einheimischen rum!“ Nee, er wollte uns nur darauf aufmerksam machen, dass wir mit dem Heck 5 cm in der Flucht seiner Einfahrt stehen! So sind sie, die Bayern! Ich hab sie trotzdem lieb. 😉

Ergebnisse: https://www.abavent.de/anmeldeservice/triathlonbeilngries2019/ergebnisse#1_A472E2