Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Pleiten, Pech und ein schneller Däne – Sprint EM in Düsseldorf, 25. Juni 2017

Letzte Woche konnte ich die seit drei Jahren erträumte Europameisterschaftsmedaille bei der EM über die olympische Distanz in Kitzbühel erringen: eine silberne. Heute bekomme ich gleich die Chance, eventuell sogar eine zweite EM-Medaille zu gewinnen, dieses Mal über die halb so lange Sprintdistanz (750 m Schwimmen, 20 km Radfahren, 5 km Laufen) in Düsseldorf. Neben starker Konkurrenz aus Deutschland und Holland war auch wieder ein Däne am Start, der mich bereits in Kitzbühel um mehr als zwei Minuten geschlagen hatte. Doch während ich in unserem Nachbarland verunsichert an der Startlinie stand, hatte ich für mein „Heimspiel“ einen entschlossenen Plan.

Und der lautet so: In Kitzbühel war der Däne etwas mehr als eine Minute schneller beim Schwimmen und etwa 30 Sekunden langsamer auf dem Rad. Gut, beim Laufen war er dann wieder eineinhalb Minuten schneller, aber das rede ich mir jetzt mal schön: Ich hatte mich da eher auf den Zweikampf mit Polikarpenko konzentriert. ? Wenn ich jetzt also bei der halb so langen Schwimmstrecke nur die Hälfte an Rückstand habe, kann ich mit dem gleichen Vorsprung auf dem Rad aufschließen. Alles klar? Soweit der Plan. Doch: Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte! Und was ist außerdem mit den ausgeruhten Athleten, die sich nur auf die Sprint EM konzentriert haben?

Der oberste Wettkampfrichter hat scheinbar ausgezeichnet geschlafen. Denn am Morgen wird beim Betreten der Wechselzone, was uns zwischen 6:30 und 7:45 Uhr gestattet ist, um unseren Wechselplatz vorzubereiten, verkündet, dass Neoprenanzüge erlaubt sind. „Wie jetzt?“, fragen sich viele Dreikämpfer, die ihre schwarze Pelle im mitunter weit entfernten Hotel gelassen haben, weil am Vorabend noch verkündet wurde, dass die Wassertemperatur 24,3 Grad betrüge und somit um mehr als zwei Grad über der Grenze für ein Neoverbot läge. Am Freitag hatte das Wasser sogar noch mehr als 26 Grad! Aber der Sonntagmorgen ist wettertechnisch eher einer von der Sorte: Kannste vergessen! Bei 18 Grad Lufttemperatur und teilweise Nieselregen hat sich das Wasser im Medienhafen auf 22,3 Grad abgekühlt, was immer noch für ein Neoverbot gereicht hätte, womit wir wieder bei dem guten Schlaf des obersten Wettkampfrichters wären. Hektische Betriebsamkeit bricht aus. Viele zücken ihre Smartphones und rufen in ihrer Verzweiflung irgendjemanden an, der ihnen noch auf die Schnelle einen Neo vorbeibringen soll. Fast schon ärgere ich mich, weil sich die zahlreichen Briten noch mehr über die Neoerlaubnis freuen als ich. Dazu muss man wissen, dass es eine Spezies Age-Grouper gibt, die noch schlechter schwimmt als ich: die Briten! Aber egal. Ist ja kein Wunschkonzert. Als die meisten schon auf dem Weg sind, die ca. 500 m lange Wechselzone zu verlassen, sorgt jemand dafür, dass auch er letzte hellwach wird – nämlich der Experte, der es fertiggebracht hat, seinen Schlauch zum Platzen zu bringen! Alle schrecken auf: „War das jetzt bei mir? Soll ich nochmal mein Rad kontrollieren?“ Ich bleibe entspannt. Kann mir nicht passieren! Gibt ja nen Vorverkauf. ? Und ich weiß eben auch, dass „Körpergewicht in kg durch 10 gleich Reifendruck in bar“ genügt. Also pumpe ich meine Reifen auch nie mit mehr als 5 bar auf.

Nun, ich bin in der vorletzten der 11 Startwellen. Das Vorstart-Prozedere ist ziemlich ausgedehnt. Bereits 25 Minuten vor unserem Start müssen wir uns am einen Ende des Medienhafens einfinden und werden dann Zone für Zone in Richtung Startbereich geführt. Wie üblich bei internationalen Meisterschaften ist ein Einschwimmen verboten. Die Frauen W45 starten 10 min vor und die Männer M50 fünf Minuten nach uns. Das würde dazu führen, dass ich in meiner Altersklasse M45 die Übersicht über meine Startgruppe während des Rennens habe – dachte ich. Wie immer befinde ich mich ganz außen als das Starthorn ertönt und das Feld losprescht. Ich komme gut „rein“, finde schnell meinen Rhythmus und habe guten Druck in den Armen. An der ersten Boje nach ca. 300 m wird es eng und ich bekomme einen Tritt ins Gesicht. Gedanken gehen mir durch den Kopf: „Nasenbein? – Nicht gebrochen! – Schwimmbrille? – Sitzt noch da, wo sie sein sollte!“ Also weiter. Dann, 100 m weiter, der nächste Schreckmoment: Als ich am Brückenpfeiler vorbeischwimme, reiße ich mir einen Finger an Betonteilen auf, die flach unter der Wasseroberfläche liegen. Egal, weiter. Auf den restlichen 350 m mache ich noch ein paar Plätze gut und komme weit vorne aus dem Wasser – denkste! Anke ruft mir zu: „Platz 19.“ Waaaaas?! Und der Rückstand zur Spitze ist enorm: 2 min auf die Schnellsten und 1 min auf Pelle, den Dänen und Topfavoriten! Diese Zeiten verheimlicht Anke mir. Besser ist das! „Was war das denn jetzt für ein Schwimmen?!“ Nützt nix. Das Rennen ist erst zu Ende, wenn’s vorbei ist! Fünf Euro ins Phrasenschwein.

Okay, rauf auf’s Rad. Ach ne, Moment mal. Erst kommt ja noch die vierte Disziplin! Nämlich der lange Lauf durch die Wechselzone – Platz 15. Jetzt geht es auf dem winkeligen Kurs bei starkem böigem Wind am Rhein entlang hin 10 km und dieselbe Strecke wieder zurück. Bei jedem Radfahrer, der vor mir auftaucht, hoffe ich, die mir bekannten Athleten zu erspähen, die ich vor mir wähne: Olaf Geserick, ein bärenstarker Deutscher, oder Pelle, der Däne – nichts! Ich sehe sie nicht mal, als sie mir nach dem Wendepunkt hätten entgegenkommen müssen. „Habe ich denn schon so viel Laktat auf den Augen?“ Ich habe auch kein Gefühl für meine eigene Performance, weil mein Tacho nicht funktioniert: Schei… Touch Screen! Ich muss beim Schieben durch die Wechselzone drangekommen sein. Irgendwie verlangt der Tacho ständig von mir, dass ich die Helligkeit einstelle. „Hä? Soll ich vielleicht noch ein Update einspielen?!“ Also beschließe ich, weiter am Limit zu fahren. Ein Ritt auf der Rasierklinge. Kurz vor der Wechselzone erkenne ich am Wiegetritt Olaf. „Mann, ist der stark gefahren! Oder stark geschwommen! Oder beides? Oder ich so schlecht?“, schießt mir durch den Kopf.

Durch einen schnellen Wechsel verlasse ich Schulter an Schulter mit Olaf die Wechselzone und er baut mich auf: „Drei sind vor. Davon ein Deutscher. Den holst Du Dir!“ Und der Däne natürlich! Und wer noch? Rob Kwaaitaal, ein Holländer, der in der ersten holländischen Liga startet und an den holländischen Meisterschaften der Elite teilnimmt! Na super! Mittlerweile ist es auf der Laufstrecke total unübersichtlich. Aber Anke hat alles im Griff: „30 Sekunden auf den Dänen!“ Okay, Angriff. Am Wendepunkt nach ca. 1,5 km kommt mir Pelle, der Däne, entgegen. „Mann ist der schnell!“ Den Deutschen habe ich bereits überholt. „Wievielter bin ich jetzt?“ Nach 2,5 km sind es immer noch 30 Sekunden auf den Dänen. Ich beschleunige nochmal, versuche alles, keuche mich durch’s Feld. Aber Pelle kommt mir an der gleichen Stelle entgegen wie auf der Runde zuvor. „Also nichts gutgemacht.“ Egal, weiter. Ca. 800 m vor dem Ziel entdecke ich auf einem Einteiler den Namen „Kwaaitaal“. „Ah, okay, meine Altersklasse! Wird es wieder so funktionieren, wie letzte Woche in Kitzbühel? Oder ist der Holländer stärker im Sprint als Polikarpenko?“ Dieses Mal sauge ich mich ran und starte 300 m vor dem Ziel meinen Angriff. Rob kann nicht folgen und bleibt am Ende 4 s hinter mir! Aber worüber kann ich mich freuen?

Die Konfusion ist groß. Auch der Veranstalter scheint bei diesem Gewusel den Überblick verloren zu haben. Ich werde auf Platz 3 geführt, Pelle Erster und ein Ire Zweiter. Erst viel später lässt mich ein Vereinskollege und Hobby-Journalist aus der Heimat wissen, dass ich Zweiter hinter dem Dänen bin. Wieder Vize-Europameister! Wie geil ist das denn! Und wieder hinter diesem bärenstarken Dänen! Aber dieses Mal bin ich Pelle schon ganz schön auf die Pelle gerückt – Spaß!

Was bleibt? Zwei Silbermedaillen bei Europameisterschaften innerhalb von 8 Tagen! Die zweitbeste Radzeit von fast 500 Athleten über alle Altersklassen (@Robert, Du genialer Tüftler: Du hast mir mal wieder eine Waffe unter den Hintern gezaubert!) Ein bärenstarker Däne, den ich vielleicht in Rotterdam bei der WM wiedertreffe. (@Pelle, ich habe einen Plan ? ) Nette Gespräche mit meinen Kontrahenten. Ein Top-Resultat der deutschen Teilnehmer meiner Altersklasse: Fünf unter den ersten 10! Aber zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass ein Resultat alles überstrahlt: Wer mal sehen möchte, wie Triathlon und insbesondere Schwimmen geht, der möge sich mal die Ergebnisse der Frauen W45 ansehen! Mit der besten Schwimmzeit aller (!) Frauen, die sogar im Elite Feld konkurrenzfähig gewesen wäre, hat Bettina, MEINE ( ? ) Mannschaftskollegin beim TSV Bargteheide, den Grundstein für einen souveränen Start-Ziel-Sieg in ihrer Altersklasse gelegt und ist sogar Dritte aller Teilnehmerinnen geworden! Chapeau, Bettina! Für ein weiteres Top-Resultat sorgte Jens, ein weiterer Stormarner, mit der Silbermedaille in der AK M60 – klasse!

Ergebnisse: http://www.triathlon.org/results/result/2017_duesseldorf_etu_sprint_triathlon_european_championships/316711


Weitere Berichte:

http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/sport/starke-lokalmatadoren-aid-1.6904693

http://www.shtu.de/Berichte/EM%20Duesseldorf%202017.pdf

http://www.dtu-info.de/news/2017/juni/triathlon-em-d%C3%BCsseldorf-2017-dtu-age-grouper-r%C3%A4umen-26-medaillen-ab.html