Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Landesmeisterschaften Sprint in Norderstedt, 6. September 2015

Nachdem ich die Landesmeisterschaften über die Olympische Distanz im Juni in Lübeck verpasst hatte, wollte ich eigentlich an dieser Landesmeisterschaft über die Sprintdistanz teilnehmen. Es sollte eigentlich eine Formüberprüfung sein in Hinblick auf die WM in Chicago – EIGENTLICH 😉 Ich würde nichts riskieren. Und auch würde ich mich nicht dem Wettergott entgegenstellen, sollte er es am Wettkampftag „herbsteln“ lassen. Schließlich hält so kurz vor einem großen Ereignis stets die Paranoia Einzug, mit jedem Molekül H2O drohe eine Erkältung.

Nun, der Wettergott hat zumindest kein Verständnis dafür, dass ich noch im Bett liegen bleibe, als um 7 Uhr der Wecker klingelt. Es scheint nämlich tatsächlich die Sonne, und die Temperaturen sollen heute auch noch bis auf 18 Grad steigen. Es gibt also keine Ausreden!

Dieser Wettkampf ist ideal für einen Formtest. Da die Landesmeisterschaften im Rahmen der Landesliga Schleswig-Holstein ausgetragen werden, ist zum einen für Quantität gesorgt. Zu den Topathleten aus der Landesliga kommen zudem noch einige Zweitliga-Starter von Itzehoe plus junge aufstrebende Kaderathleten, die in Poesiealben als Berufswunsch „Triathlonprofi“ schreiben würden. Somit ist auch für Qualität gesorgt. Das Gute ist, dass dieses jung-dynamische Volk häufig davon ausgeht, sich im Zentrum des Sonnensystems zu befinden und einen grauhaarigen, alten Mann mit einem bunten T-Shirt eher für einen Ordner hält. Somit stehe ich nicht im Fokus und kann ungehindert zum Schwimmstart schlendern.

Untypisch für eine Landesmeisterschaft über die Sprintdistanz ist die kurze Schwimmstrecke über 500 m. Mir soll’s recht sein 😉 Das Wasser ist empfindlich kalt. Einige schwimmen sogar ohne Neo! „Ah, das sind die zukünftigen Vertreter der deutschen Farben. Tja, die müssen sich schon mal an solche Temperaturen gewöhnen.“ (Anmerkung der Redaktion: Profis müssen bei Wassertemperaturen über 20 Grad ohne Neo schwimmen!). Erstaunlich ist, wie viel Zeit man doch auf einer so kurzen Schwimmstrecke verlieren kann! Obwohl ich mal wieder ganz außen starte und die beiden Wendebojen daher auch in weitem Abstand umschwimme, fühle ich mich eigentlich ganz gut und bin retrospektiv baff erstaunt, dass ich zwei (!) Minuten auf die Spitze verliere. Das ist unglaublich! Letzte Woche in der Regionalliga war es nur eine Minute bei der gleichen Streckenlänge. Wahnsinn, wie das junge Volk schwimmen kann!

Als 47ster erreiche ich meinen Wechselplatz. Spätestens jetzt hat mich niemand mehr auf der Liste und ich gehe in der Anonymität des Feldes unter. Oder? Jemand signalisiert mir nach ein paar hundert Metern auf dem Rad „30“. Was meint er? „30 Sekunden“ oder „Platz 30“ oder „30 km/h“? „Ja hat er denn einen Geschwindigkeitssensor?“ Nein, es ist wohl eher Platz 30, da ich mit einem Blitzwechsel bereits einige Plätze gutmachen kann. Und jetzt geht’s los! Es sind zwei Runden á 10 km auf der Po-ebenen Wendepunktstrecke zu fahren. Ich gebe alles. Mein Puls erreicht astronomische Sphären. Doch mein Tacho will nicht über 38 km/h klettern. „Was ist das? Reifendefekt? Festsitzende Bremse?“ Nein, erst jetzt bemerke ich, dass der Wind auf den ersten fünf Kilometern hin zum Wendepunkt ganz schön von vorne bläst. „Ach ja, ich vergaß, dass für heute Winde bis zu Stärke 6 angesagt waren. Oh, Du mein Wettergott!“

Kurz vor dem Wendepunkt zähle ich: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs . . .“. Weiter kann ich nicht. Weiter muss ich nicht! Ich habe mich bis auf Position 7 vorgeschoben. Der Führende, ein Zweitliga-Starter aus Itzehoe, kommt mir allerdings bereits entgegen, als es für mich noch 500 m bis zum Wendepunkt sind. „Mmmh, ein Kilometer Vorsprung!“ Rechne, rechne . . . „ca. eineinhalb Minuten. Das ist viel! Den kriege ich vielleicht nicht mehr. Aber die anderen müssten doch drin sein, oder?“ Jetzt schiebt der Wind von hinten. Das macht Spaß! Am zweiten Wendepunkt bei Kilometer 10 überhole ich den Zweitplatzierten, der bei diesem Wind mit einer Scheibe unterwegs ist, Respekt! Weiter geht die Hatz, den Führenden jetzt fest im Blick. Stets geht ein Kontrollblick aber auch in den Rückspiegel, da sich das Scheibenrad nicht abschütteln lässt. „Man ist der stark!“ Ich spekuliere: „Ein älterer Athlet – gut, nicht so alt wie ich, aber eben auch kein Jungspund mehr – der muss eine Jokerdisziplin haben.“ Ältere Athleten sind meistens Quereinsteiger und können häufig eine Disziplin nicht. Bei mir ist es das Schwimmen. Das weiß mittlerweile der geneigte Leser dieses Blogs 😉 Dieser hier kann sehr gut Rad fahren und muss auch exzellent geschwommen sein. „Mmh, vielleicht kann er nicht laufen? Aber was ist mit dem jungen Zweitligastarter vor mir? Eine Laufrakete? Du musst weiter Druck machen“, geißele ich mich selbst. Jetzt geht es ja wieder gegen den Wind. Und dann, da, kurz vor dem dritten Wendepunkt bei Km 15 liege ich plötzlich an Position 1. Raus aus der Anonymität. Jetzt bin ich der Gejagte und unter Druck. Den gebe ich gerne an meine Pedalen weiter.

Mit der drittbesten Radzeit erreiche ich als Erster die Wechselzone. Ich bin bereits in meine Laufschuhe geschlüpft, als das Scheibenrad seinen Wechselplatz anpeilt. Zum Teufel mit Formüberprüfung. Jetzt bin ich vorne. Jetzt MUSS ich mein Heil in der Flucht suchen, da etliche junge Laufwunder hinter mir auf die Strecke drängen. „Wird mein Vorsprung reichen? Wann kommen die jungen Wilden angeflogen?“ Auf dem windanfälligen und profilierten Kurs sind zwei Runden á 2,5 km zu absolvieren. Aber heute habe ich Beine wie ein Zwanzigjähriger mit vollem Haar. „Mensch, fühlt sich das gut an!“ Mein Chronograph zeigt ein 3:30er Tempo. „Die anderen können doch unmöglich viel schneller sein, oder?“

Es ist kaum einer schneller! Mit der zweitschnellsten Laufzeit (17:19 min) erreiche ich als einziger mit einer Gesamtzeit unter einer Stunde (59:52 min) das Ziel, fast eine Minute Vorsprung auf die Zweitliga-Rakete aus Itzehoe. Landesmeister! Good job! Und so steht dann doch ein graumelierter älterer Herr mit lichtem Haar ganz oben auf dem Podest 😉 Jetzt heißt es, warm duschen, warm anziehen, niemandem mehr die Hand schütteln und hoffen, dass diese Leistung auch am Tag X aus dem Koffer geholt werden kann . . .

Ergebnisse: http://my6.raceresult.com/34210/results?lang=de#28_92D646