Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Ein Meistertitel mit langem Anlauf – Triathlon DM in Bremen, 8. August 2021

Als ich am 1. September 2019 bei der Triathlon Weltmeisterschaft in Lausanne als Zweiter ins Ziel kam, war mir klar, dass ich in die Saisonpause gehe. Dass diese allerdings fast zwei Jahre dauern würde, hatte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht geahnt. Nachdem im vergangenen Jahr so gut wie keine Sportveranstaltungen im Amateurbereich stattfanden, haben in diesem Jahr einige Organisatoren mit gut-durchdachten Hygienekonzepten die ein oder andere Veranstaltung auf die Beine gestellt. So auch die Organisatoren des Triathlons in Bremen, in dessen Rahmen auch die Deutschen Meisterschaften über die Olympische Distanz ausgetragen wurden. Für mich beginnt der Wettkampf eigentlich bereits einen Tag vorher als ich meine Sachen für das Rennen zusammensuchen muss. Das treibt meinen Puls nach oben: „Habe ich alles? Warum ist meine Aero-Radflasche so verstaubt? Und warum ist der Neo eingelaufen? Wie war das nochmal: erst Rad fahren und dann schwimmen, oder andersrum?“ Mein Auto ist schon am Samstagabend so vollgepackt als würde ich in ein dreiwöchiges Trainingslager fahren. Zur Not habe ich zwei Neos und zwei Helme mit. Man kann ja nie wissen.

Auf der Fahrt nach Bremen, quasi mitten in der Nacht – der Start ist um 10 Uhr – fahre ich durch den ein oder anderen Regenschauer. Aber das ist mein Wetter. Schön kann jeder! Aber kann ich noch Triathlon? (Meine Güte, was für ein Deutsch!? Aber das ist ja heute en vogue. 😉) Ich bin schon ein bisschen aufgeregt – aufgeregter als sonst. Ich habe das Gefühl, all die routinierten Handgriffe, die insbesondere in den Wechselzonen eine Rolle spielen, vergessen zu haben. Und eigentlich wollte ich erst gar nicht an den Start gehen. Nach einer verletzungsbedingten Laufpause von vier Monaten bin ich erst seit fünf Wochen wieder im Lauftraining. Und für einen Nichtschwimmer, wie ich es bin, war die Schließung der Schwimmbäder im Winter auch eher suboptimal. Doch ein Sportfreund, der in der M40 vor zwei Jahren ebenfalls Deutscher Meister geworden ist, erinnerte mich daran, dass wir einen Titel zu verteidigen haben. Und Titel schenkt man nicht einfach so her!

Die Strecke in Bremen ist mir nicht unbekannt. 2019 fanden hier auch die Deutschen Meisterschaften über die Sprintdistanz statt. Dieses Mal ist es „nur“ doppelt so lang. „Ob das eine gute Idee ist?“ Auf dem gesamten Veranstaltungsgelände muss man eine Maske tragen und beim Abholen der Startunterlagen eines der drei Gs nachweisen. Hier treffe ich auch zum ersten Mal meinen vermeintlich ärgsten Konkurrenten um den Titel. Gegen Achim habe ich noch nie gewonnen. Bisher bin ich allerdings auch nur im Duathlon gegen ihn angetreten. „Mensch, sieht der fit aus! Was mache ich eigentlich hier?“

Und dann geht alles ganz schnell, kaum Zeit zum Einrichten der Wechselzone. Bis zum Schwimmstart muss eine Maske getragen und in einer Mülltonne entsorgt werden. Das Wasser im Europahafen ist trüb aber mit 21,4 °C perfekt für einen Neo. Gestartet wird in vier Startgruppen, die nach Angabe der Schwimmzeit sortiert sind. Warum ich in der ersten Startgruppe bin, erschließt sich mir nicht. „Habe ich meine Zeit doch ein wenig zu optimistisch angegeben?“ Jedenfalls denke ich mir, dass es eine bessere Idee ist, in der ersten Gruppe hinterher zu schwimmen, als in der zweiten Gruppe mitten drin. Dass ich allerdings so weit hinterher schwimmen würde, hatte ich nicht unbedingt geplant. Bereits an der ersten Wendeboje nach 50 m waren die meisten der 50 Starter in dieser Gruppe bereits weg! Ich hatte vorher noch einen gesprochen, der meinte, er wolle nach 17 min aus dem Wasser steigen! Caeleb Dressel? (5-facher Goldmedaillengewinner von Tokio). Nun ja. Ich lasse alle vor, um sie vor mich her zu treiben. Nach etwa 200 m finde ich meinen Rhythmus und, was noch schöner ist, Füße, die an mir vorbeigeschwommen kommen und das richtige Tempo für mich vorgeben. Wir halten uns schön an der Kaimauer aus dem Getümmel raus als so ein Typ mir in die Seite schwimmt. „Okay, der hat die Orientierung verloren“, denke ich. Aber jetzt hat er sie ja wiedergefunden zumal die fünf Meter hohe Kaimauer kaum zu übersehen ist. Und zack, schwimmt er wieder in mich rein. Und nochmal. „Ey, Alter! Hast Du schon mal etwas von Abstandsregeln gehört?“, möchte ich ihm am liebsten zurufen. Doch mein Gurgeln verstummt im Wasser des Europahafens. Nach dem fünften Mal wird es mir zu bunt. Ich mache ein paar schnelle Züge und ein paar kräftige Beinschläge und setze mich von diesem Typen ab. „So, wo sind „meine“ Füße?“ – weg! Mist, dieses Scharmützel hat mich aus dem Rhythmus gebracht. Nun bin ich wirklich ganz alleine und weit und breit ist niemand zu sehen. Es sind zwei Runden zu schwimmen. Die Gruppe hinter uns ist mit drei Minuten Abstand gestartet. Ich warte ständig darauf, dass mich jemand aus der Gruppe überholt. Passiert aber glücklicherweise nicht. Nach 25:27 min klettere ich die Leiter zum Ponton hoch. „Man – wie schlecht!“

In der Wechselzone steht aus meiner Startgruppe fast kein Rad mehr. Ich liege über vier Minuten hinter dem schnellsten Schwimmer aus meiner Altersklasse und sieben Minuten hinter dem Möchtegern-Caeleb-Dressel! Doch jetzt kommt mein Ding: Es ist frisch. Es ist nass. Es ist böig. Es ist norddeutsch! Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 42 km/h geht es auf die fünf Runden. Pro Runde gibt es einen Wendepunkt, an dem es mich beim ersten Mal fast vom Rad fegt. So windig ist es an dieser Stelle. Gut ist aber, dass ich hier die entgegenkommenden Athleten beobachten kann. „Wo ist Achim?“ Mit Helm und Brille erkenne ich ihn leider nicht. Ich warte nur darauf, dass er an mir vorbeifährt. Doch mich überholt niemand. Der Abstand zu den Führenden bleibt auch über die fünf Runden fast konstant, was mir zeigt, dass ich flott unterwegs bin. „Wie viele Runden waren nochmal zu fahren? Ach ja – fünf.“ Also abbiegen und auf die Promenade in Richtung Wechselzone. Und hier überhole ich doch tatsächlich den Möchtegern-Caeleb-Dressel. „Schwimmen kann er ja. Und ein geiles Rad hat er auch. Aber genützt hat’s ihm nichts.“

Mit der siebt-schnellsten Radzeit des gesamten Feldes und der mit Abstand besten meiner Altersklasse schlüpfe ich in meine Alphafly. „Fliegen sollst Du!“, versuche ich mich zu motivieren, da ich niemanden in Schlagdistanz sehe. Doch das Loslaufen ist zäh. Und dann stürmt auch noch Caeleb an mir vorbei. Der erste Kilometer fühlt sich an, als hätte ich Kaugummi unter den Schuhsohlen. Leicht bergauf und gegen den Wind mag nicht so recht das Laufvergnügen aufkommen. Doch dann an der Weser läuft es mit mal. Ich schiebe mich an Caeleb vorbei, der mich noch nach der Pace fragt. Meine Antwort „3:35 min/km“ überrascht mich selbst. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch die Rechnung ohne den Wendepunkt gemacht. Denn auf dem Rückweg habe ich das Gefühl, ich stehe. „Wann kommt Achim? Jetzt müsste ich ihn doch eigentlich allmählich mal sehen. Mit drei Minuten Vorsprung bin ich gestartet. Wenn ich also einen Kilometer Vorsprung habe, müsste es reichen, soweit meine Gehirnzellen noch funktionieren.“ Und da, nach dem Wendepunkt kommt er mir entgegen. Der Vorsprung beträgt tatsächlich fast einen Kilometer. „Komm schon!“, versuche ich mich anzutreiben, „ein bisschen was musst Du noch tun.“ Denn laufen kann Achim auch. Schließlich ist er schon mal Weltmeister auf der Mitteldistanz geworden. Ich versuche nicht nachzulassen. Doch es fühlt sich weiter zäh an. Nach 37:28 Laufminuten erreiche ich das Ziel. Jetzt kommt das bange Warten. Erst kommt ein Mitstreiter aus meiner Altersklasse, der aber mit mir in der Startgruppe war. „Da habe ich also schon mal die Nase vorne. Doch wann kommt Achim?“ Als schließlich mehr als sechs Minuten vergangen sind, ist mir klar: „Yes, I did it again!“ Am Ende habe ich über vier Minuten Vorsprung auf den Zweit- und fast fünf Minuten auf Achim als Drittplatzierten. Welch Glücksgefühl! Mein siebter Meistertitel auf dieser Distanz.

Die Organisation war richtig klasse. Ich, als großer Bedenkenträger, habe mich zu keinem Zeitpunkt unwohl gefühlt, was Abstandregeln etc. anbelangt. (Bis auf den Typen beim Schwimmen). Leider, aber eben auch aus verständlichen Gründen, fand keine Siegerehrung statt. Doch auch die kurzen Begegnungen beim Ein- und Auslaufen mit vielen Weggefährten von zahlreichen Meisterschaften waren schön. Jetzt weiß ich, was ich zwei Jahre lang vermisst habe.

Ergebnisse: https://citytriathlonbremen2021.racepedia.de/ergebnisse/3681/TM50