Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Eher Trostpflaster als gutes Pflaster - Duathlon WM in Pontevedra, 22. Juni 2025

Pontevedra ist eigentlich ein gutes Pflaster für mich. Hier konnte ich 2019 meinen ersten Weltmeistertitel im Duathlon gewinnen und wurde im letzten Doppelweltmeister über die Super-Sprint- und Standard-Distanz. Dieses Mal war es allerdings nur ein Trostpflaster.

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Meine übliche Reisegruppe gab es leider nicht. Somit bin ich alleine unterwegs. Glücklicherweise weiß ich mit Andrea und Chris zwei Freunde vor Ort, die mir viel Stress ersparen und mich in vielen Dingen unterstützen. Den ersten Vorgeschmack von Stress gibt es dann allerdings am Flughafen in Vigo. Der kleine Flieger hat sich rasch geleert und ebenso rasch verschwinden die Koffer vom Förderband. Zu meinem Erstaunen kommt mein Radkoffer ziemlich schnell. Was aber nicht kommt, ist mein normaler Koffer. Na toll! "Bleib entspannt. Kein Grund zur Beunruhigung. Es ist ja erst Freitagmittag. Bis zum Start am Sonntagmorgen ist noch genug Zeit." Nach der "Vermisstenanzeige" werde ich von Andrea und Chris abgeholt und zu meinem Hotel gebraucht.

Es ist zwar Ende Juni, aber die Temperaturen sind für Spanien mit 20 bis 25 °C recht angenehm - glücklicherweise. Eine Woche zuvor waren es hier noch 35 °C! Im Hotel baue ich erstmal entspannt mein Rad zusammen. Mehr kann ich ja auch nicht machen. Für einen lockeren Lauf fehlen mir die Klamotten. Nach der Registrierung schaue ich doch mal im Internet nach, wo mein Koffer verblieben ist. Immerhin sind dort drin neben meinem Wettkampfanzug und den Laufschuhen noch meine Akkus für die elektronische Schaltung meines Rades. Ich stelle fest, die Verfolgungsnummer, die mir die gute Frau am Flughafen in Vigo gegeben hat, stimmt nicht. Es folgen ein Dutzend Telefonate mit Iberia und ebenso viele Beteuerungen der anderen Seite, dass mein Koffer spätestens am Samstagmorgen ins Hotel geliefert wird. Ich bin (an)gespannt.

Am späten Samstagvormittag werde ich dann doch so allmählich nervös. Ich muss mein Rad bis 15 Uhr in die Wechselzone einchecken. Ohne Akkus macht ein Start wenig Sinn. Iberia versichert mir einmal mehr, dass der Koffer bis zum Mittag da sein würde. Falls nicht, könne ich mir alles Nötige kaufen, was ich zum Wettkampf brauche. "Wissen die, worauf sie sich da einlassen?!" Ich gehe zu einem Radladen. Die sind mega hilfsbereit, haben auch bereits anderen Athleten mit großen Radproblemen geholfen. Sie verkaufen mir zwei Akkus. Gleichzeitig stellt Chris mir seine zweite Wettkampfgarnitur zur Verfügung. So kann ich wenigstens starten. Also checke ich mein Rad pünktlich ein und versuche, alles so zu machen, wie sonst auch. Als es um 20 Uhr an meiner Hotelzimmertür bollert, bin ich überrascht: mein Koffer! Damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Nun kann ich gut schlafen.

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Der Wecker geht um 5 Uhr. Ich mache mich auf zu Andrea und Chris ins Wohnmobil zum Frühstücken. Es ist frisch. Gut so. Schließlich werden wir gleich mit einem 10 km Lauf starten. Da wird uns schon warm. Noch in der Dämmerung können wir die Wechselzone betreten und ich kann meinen Platz mit meinen Sachen präparieren. Der Rasenplatz im Stadion ist seit dem letzten Jahr nicht besser geworden. So viele Löcher. Man muss schon ganz genau aufpassen, wohin man tritt. Die letzte Stunde vor dem Start vergeht mal wieder wie im Flug. Und dann ist es so weit.

Die Bedingungen sind optimal, 14 °C, sonnig, kein Wind. Einen Konkurrenten aus Spanien habe ich auf dem Zettel. Der kann verdammt schnell laufen. Ich habe mir einen Plan zurecht gelegt: "Wenn er über die 10 km eine Minute schneller läuft als ich, habe ich eine Chance, ihn zu schlagen." Der Startschuss fällt und die Meute hetzt los. "Alter! Schlagen die ein Tempo an!" Da wir gemeinsam mit der Startgruppe M50 auf die Strecke geschickt werden, verliere ich den Überblick, wer aus meiner Startgruppe M55 vor mir ist. Den Spanier habe ich noch im Blick - auf dem ersten Kilometer. Meine Beine sind sowas von blau. Es geht gar nichts! Dabei ist es in etwa das Tempo, was ich laufen wollte. Ja, vielleicht etwas schneller. Aber es fühlt sich besch... an. Nach einem Kilometer geht es hoch in den Ortskern. Ich scheine zu stehen. Von hinten rauschen ein paar Athleten an mir vorbei. "Oh je! Wie soll ich nur vier Mal diesen Anstieg hoch kommen?!" Es sind vier Runden á 2,5 km zu laufen. Nach der ersten Runde habe ich bereits über 30 Sekunden Rückstand auf den Spanier. Und nicht nur das! Er ist nicht der einzige aus meiner Altersklasse, der ein solches Höllentempo anschlägt. Ich denke mir: "Entweder die explodieren gleich. Oder die wissen, was sie tun. Und dann habe ich sowieso keine Chance."

Als ich mich der Wechselzone nähere, sehe ich gerade den Spanier auf sein Rad steigen. Jetzt läuft die Zeit. Als ich an der Stelle bin, sind zwei Minuten vergangen. Zwei Minuten Rückstand! Aber nicht nur auf ihn. Die ersten Drei sind zwei Minuten schneller gelaufen als ich. Und meine 37:00 Minuten über die 10 km sind für einen Duathlon ja eigentlich gar nicht schlecht. Jetzt heißt es: kämpfen. Ich hatte vorher zwar nicht die Möglichkeit, mir die Radstrecke anzusehen. Aber ich vermute, im Vergleich zum letzten Jahr hat sich nicht viel verändert. Leider! Der Asphalt ist immer noch katastrophal. Doch die Strecke kommt mir entgegen. Sie ist schön profiliert, oder besser gesagt: Es geht 10 km berghoch, Wendepunkt, 10 km bergrunter und das Ganze zweimal. Nach der ersten Runde liege ich immer noch "nur" an Position 4. "Mensch, die können nicht nur laufen sondern auch Rad fahren." Und dann endlich. Nach dem zweiten Mal am höchsten Punkt kann ich endlich den Spanier überholen. Wer die anderen beiden sind, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Leider geht es jetzt nur noch bergrunter. D.h. ich werde wohl nicht mehr soviel Zeit auf den Spanier gutmachen können, sodass das Polster nach dem zweiten Wechsel groß genug ist. Dennoch gebe ich alles. Kopf runter und mit über 70 Sachen den Berg hinunter.

Die zweite Wechselzone erreiche ich als Zweiter. Also muss ich einen weiteren überholt haben, einen Dänen. Zu Beginn der Laufstrecke wird mir meine Position durchgerufen, aber auch, dass der Erste, ein Schweizer, uneinholbar in Führung liegt. "Okay, das ist also der dritte 35-Minuten-Läufer." Doch wie groß wird mein Vorsprung zum Spanier und zu dem Dänen sein, die über 10 km zwei Minuten schneller waren als ich? Er müsste nach Adam Riese für die abschließenden 5 km mehr als eine Minute betragen, möchte ich hier mit einer Medaille nach Hause fahren. Ich sehne der ersten Zwischenzeitnahme entgegen. Nach der ersten Runde ruft man mir zu: "Der Spanier ist auf 10 Sekunden dran. Und der Däne fliegt von hinten heran." Meine Beine sind schwer wie Blei. Aufgeben ist keine Option. Ich versuche mein Heil in der Flucht. Doch auf der Mitte des Anstieges zum Ortskern haben die Beiden mich eingeholt. "Das war's mit der Medaille!" Zu meiner Verwunderung lassen die Beiden mich nicht gleich stehen, sondern bleiben hinter mir und lassen mich schön die Arbeit machen. Also nehme ich etwas das Tempo heraus, um mir noch ein paar Körner zu sparen für das, was da noch kommen mag. Zu dritt gehen wir auf die letzten flachen 1,2 km am Fluss entlang. Wer zuckt als Erster? Es ist der Däne ca. 600 m vor dem Ziel. Er zieht das Tempo an. Obwohl fast am Limit, gebe ich alles und kann folgen. Zu meiner Überraschung der Spanier nicht. "Was ist da los?" Kann ich nicht sagen. Ich blicke mich nicht um. Der Däne steht weiter auf dem Gaspedal. Als wir ins Stadion einlaufen, ist auch bei mir der Ofen aus. Als Dritter laufe ich aber dennoch glücklich durchs Ziel. Bei diesem Rennverlauf hätte ich nie mit einer Medaille gerechnet.

Ergebnisse: https://triathlon.org/events/2025-world-triathlon-duathlon-championships-pontevedra/results/671061

Der Kampf hat sich gelohnt. Bei der Siegerehrung erhasche ich noch ein Selfie mit dem großen Javier Gómez. Fantastico. Fun Fact am Rande: Auf dem Rückflug ist mein Radkoffer im schwarzen Loch verschwunden!

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