Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Das Dutzend voll gemacht – Deutsche Meisterschaft Olympische Distanz in Viernheim, 27. August 2023

So, nun aber wieder ein Rennbericht aus meiner Feder. Viernheim liegt bei Mannheim oder Weinheim, aber leider nicht Daheim. Somit war eine sechsstündige Autofahrt notwendig, um meinen Titel vom letzten Jahr zu verteidigen bzw. um den Titel in der neuen Altersklasse M55 zu kämpfen. Gut, dass mein Sportfreund Matthias mit im Auto saß, sodass es eine kurzweilige Fahrt war. Matthias war heißer Kandidat für den nun vakanten Titel in der Altersklasse M50. Eines vorweg: Ich habe noch nie an einer so chaotischen Veranstaltung teilgenommen!

Die Nacht war gut. Das Wetter am Morgen ist top: ca. 17 °C, bewölkt, kaum Wind. Gefrühstückt wird auf dem Zimmer, weil das Buffet im Hotel erst ab 6:30 Uhr eröffnet wird. Nach zwei Laugenstangen reicht es mir ohnehin. Die Teilnahme an dieser „Traditionsveranstaltung“ (wie vom Organisator immer wieder betont), fordert unsere logistischen Kompetenzen. Zunächst radeln wir mit dem Nötigsten vom Hotel zum Stadion in Viernheim, wo das Ziel und auch die Wechselzone 2 liegt. Diese erinnert eher an einen Friedhof, denn an eine Sportveranstaltung. Hier beginnt eigentlich schon der erste Akt der (Nicht-)Organisation: Es gibt nur zwei (!) Toiletten für ca. 400 Teilnehmer. „Okay“, sagen wir uns, „am See werden bestimmt mehr sein“. Haha! Mit Routine ist der Wechselplatz schnell eingerichtet und die unübersichtlichen Laufwege eingeprägt. Jetzt müssen wir zum ca. 10 km entfernten See fahren. „Wie kommen wir denn dahin?“, fragen wir mehrere „Offizielle“. Die Antwort ist fast immer die gleiche: „Einfach der Masse folgen.“ Das Problem ist nur, dass es keine „Masse“ gibt, dafür aber vier Möglichkeiten, um vom Stadion wegzufahren. Ein Helfer ist dann doch in der Lage, eine rudimentäre Wegbeschreibung zu geben. Und nach zwei Abbiegungen treffen wir tatsächlich doch auf ein paar Athleten, die offensichtlich das gleiche Ziel haben. Nur: Auch von denen kennt niemand den Weg! Ich weiß nicht mehr genau wie, aber irgendwie gelingt es uns, rechtzeitig am ca. 10 km entfernten See anzukommen. Wir haben das Gefühl, den ersten Teil des Triathlons schon geschafft zu haben. Übrigens, Toiletten gibt es hier auch nicht mehr als zwei! Ab 9 Uhr finden Starts der 2. Bundesliga Süd statt. Die Starts über die Olympische Distanz sollen ab 9:15 Uhr erfolgen. Dort starten, so der Veranstalter, Top-Starter wie Sebastian Kienle in seinem letzten Rennen in Deutschland als Profi, Traditionsstarter aus der Region und Athleten aus der Masterliga. „Ach ja, Starter der Deutschen Meisterschaft sind ja auch noch da“, so der Veranstalter.

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Endlich geht es los. Der Startschuss fällt für die 70 Traditionsstarter, bei denen auch mein vermeintlich größter Konkurrent um den DM-Titel ist. Sie stürzen sich von der Wasserkante in den See, der mit 24,7 °C keinen Neo erlaubt. Gleichzeitig laufen aber auch Athleten vom großen Rest los. Wir stehen noch auf dem Rasen und fragen einen Kampfrichter, ob das in Ordnung ist, oder wann wir los dürfen. „Ja, ähm, eigentlich auch jetzt.“ Hä?! „Wo ist denn die Zeitmessmatte? Ich sehe keine an der Wasserkante, wie angekündigt.“ Antwort: „Die ist irgendwo im Sand verbuddelt!“ Also entscheide ich mich, nicht zur Wasserkante zu gehen, sondern lieber gleich vom Rasen aus loszulaufen. Später erfahre ich, dass einige Athleten den Start verpasst haben, weil sie mit diesem spontanen Start nicht gerechnet hatten.

Rolling Start ist ja eher mein Ding. Kein Gedränge. Kein Stress. Ich suche und finde meinen Rhythmus und schwimme erst einmal zwei Meter abseits der Hauptwasserstraße. Noch vor der ersten Richtungsboje überholen mich zwei Schwimmer, denen ich folgen möchte. Geht nicht. Etwas zu schnell. Nach der Boje, nach ca. 300 m wird es besser. Da erwische ich gute Füße und kann dranbleiben. Das geht bis kurz vor dem Australian Exit bei etwa 1100 m gut. Da nämlich pflügt mein Vordermann durch ein kleines Feld. Ruckzuck verengt sich der Kanal hinter ihm, weil von rechts und links andere seinen Wasserschatten suchen. Und ich bekomme eben dann auch von rechts und links aufs . . . Das bringt mich aus dem Rhythmus. Ich verliere meinen Vordermann. Nicht so schlimm. Sind ja nur noch 300 m, die dann wiederum ganz gut laufen, äh, schwimmen. Brille und Badekappe im Kleiderbeutel verstauen und rauf aufs Rad. Jetzt geht’s rund!


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Der Radkurs liegt mir. Zunächst geht es ca. 5 km flach auf einer Bundesstraße. Hier kann man schön drücken. Dann die Auffahrt auf eine andere Bundesstraße, die durch den Schweinskopf-, ach nee, Saukopf-Tunnel (auch nicht viel besser) in den Odenwald führt. Der Tunnel ist 2,7 km lang und leicht ansteigend – perfekt. Ich habe gut Druck auf dem Pedal. Nach dem Tunnel geht es für ca. 300 m mit 10 % so richtig zur Sache – super! Plätze um Plätze mache ich gut und überhole Hendrik aus der M40. Nach der Kuppe geht es für ca. 500 mit 12 % runter. Im Rausche der maximalen Geschwindigkeit von 73,3 km/h muss allerdings runter gebremst werden, weil ein 180°-Wendepunkt folgt. Und nun das Ganze wieder zurück. Nach der zweiten Tunneldurchfahrt führt die Strecke in Autobahnmanier von der Bundesstraße ab, drunter her und wieder drauf. (Wie in der Sesamstraße: „Herum, herum, herum . . . drüber, drunter und durch“.) Und weil es so schön war, das Ganze mit dem Tunnel nochmal. Nicht so schön und ein flaues Gefühl im Magen verursacht ein Athlet, der bei der Abfahrt von der Bundesstraße gestürzt sein muss und hinter der Leitplanke medizinisch versorgt wird. Es muss einer von den Traditionsstartern sein. Später erfahren wir, dass er mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht wurde. Hendrik und ich arbeiten auf dem Rad gut zusammen – stets fair. Mal sorgt er für das Tempo, mal ich. Die Überholvorgänge werden weniger, was uns zeigt, dass das Feld vor uns dünner wird. Nach der letzten von vier Tunneldurchfahrten geht es für die restlichen 15 km flach durch die Feldmark. Der Asphalt ist schlecht. Niemand ist zu sehen, außer Hendrik, wenn er mich mal wieder überholt. Dann taucht Matthias vor uns auf. Er hat mir beim Schwimmen vier Minuten „gegeben“. Wir nähern uns allmählich Viernheim. Ich habe aber keine Ahnung, wo das Stadion ist. Es geht rechts, links, rechts, links etc. Und endlich, das Stadion. Oben auf der Balustrade fast einmal rum und dann bei einer Rampenabfahrt (!) absteigen.

Das Gute an dem „Wechselfriedhof“ ist, dass es Stühle gibt – für alte Leute wie mich. Das hatte ich auch noch nie: Schön beim Schuhe-Anziehen hinsetzen. Super! Hendrik und ich verlassen gleichzeitig die Wechselzone. „Toll, da können wir gemeinsame Sache machen.“ Der wildromantische Laufkurs verläuft in drei Runden durchs Viernheimer Industriegebiet. Trotz leichtem Gegenwind zeigt meine niemals-lügende Garmin-Uhr eine Pace von 3:30 min/km an. „Unglaublich. So fühlt sich das gar nicht an. Ich hätte schwören können, dass ich heute keine Laufbeine habe.“ Hendrik treibt mich vor sich her. Das hält das Tempo hoch. Erster Stadiondurchlauf. Kienle ist schon auf seiner letzten Runde. Ich muss noch zwei. „Puh. Ganz schön hart! Doch härter als eine Sprintdistanz.“ Ich habe Hendriks Atem weiter im Nacken. Ab und zu werden wir mal überholt. Ich kann aber nicht sagen, ob es Athleten auf ihrer ersten, zweiten oder letzten Runde sind. Es wir unübersichtlich. Ich habe keinen blanken Schimmer, wo ich liege. Und meinen vermeintlich größten Konkurrenten habe ich auch noch nicht gesehen. Sollte er die Startvorgabe etwa mit ins Ziel retten? Ich mache weiter Druck. Am Ende steht eine 3:33er Pace über 10 km. Das muss doch für den Sieg reichen, oder nicht?

Tatsächlich kann ich mir meinen zwölften Deutschen Meistertitel sichern. In der Gesamtwertung erreiche ich Platz 14 und hätte auch die Altersklassen M50, M45 und M40 gewonnen. Nur die M35 nicht. Da wäre ich hinter Sebi Kienle Zweiter geworden. Aber was ist mit meinem vorher ausgemachten Konkurrenten. Mich erreicht die traurige Nachricht, dass er der verunglückte Athlet ist. Das macht den Erfolg zur Nebensache. Später am Abend aber die Erleichterung: Er hat sich „nur“ den Arm gebrochen. Gute Besserung und komm‘ bald wieder zurück!

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Der (fast) letzte Akt dieser chaotischen Veranstaltung war übrigens, dass die Kleiderbeutel vom See erst ca. eine Stunde nach (meinem Zieleinlauf) angeliefert wurden. Für die 10 km vom See haben sie also mehr als zwei Stunden gebraucht! Nicht schön, wenn man friert!

Die sechsstündige Rückfahrt findet dann wohl in dem an diesem Tag erfolgreichsten Auto statt, da Matthias sich, wie erhofft, den Titel in der M50 sichert. Ein sehr starkes Rennen auf diesem anspruchsvollen Kurs macht auch mein Vereinskollege Stefan. Klasse!

Ergebnisse: https://www.trialogevent.de/results/?id=200&k=1&f=Gender&v=1

Bericht: https://www.triathlondeutschland.de/aktuelles/08-2023/titel-fuer-breinlinger-toller-abschluss-fuer-kienle

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