Dekorative Triathlon-Icons für die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen

Udo van Stevendaal

Triathlet

Ein Icon für eine Medaille

10-facher Weltmeister und mehrfacher Deutscher- und Europameister

Veni, Vidi, Vici – Duathlon WM in Pontevedra, 27. April 2019

Am 27. April fand im Rahmen eines Multisport Events der ITU die Duathlon-Weltmeisterschaft in Pontevedra, Spanien, statt, der Heimat von Javier Gomez, der lange Zeit die Triathlon-Szene auf der Olympischen Distanz dominiert hat. Dass ich überhaupt hier am Start sein durfte, grenzt schon fast an ein Wunder, konnte ich doch vor zwei Wochen noch gar nicht beschwerdefrei laufen. Doch jetzt ging ich fremd mit einer Sportart, die mir eigentlich entgegenkommen sollte, da meine schwächste Disziplin wegfällt. Doch die Duathlon-Szene ist eine andere als die Szene im Dreikampf. Die überwiegende Anzahl der Starter sind Duathlon-Spezialisten und können besser Rad fahren und laufen als ich – eigentlich! ? Würde das Fremdgehen bestraft?

Ich fühle mich fit. Sonst wäre ich gar nicht erst nach Spanien gereist. Doch aufgrund der langen Leidenszeit im April und März . . . und Februar . . . und Januar schätze ich meinen Leistungsstand auf etwa 80%. Doch für einen Platz unter den Top 10 kann man wohl ein verlängertes Wochenende in Galizien verbringen. Vielleicht kommt mir in der Nähe des weltberühmten Pilgerpfades ja auch noch die Erleuchtung. Die wäre jedenfalls dringend notwendig!

Obwohl ich es nicht mag, so habe ich immer dann gut performt, wenn die Bedingungen kompliziert, hektisch und katastrophal waren. Das dachten sich wohl auch die Organisatoren und verschoben kurzfristig den für Sonntag geplanten Wettkampf auf Samstag! Da hatte ich die Flüge aber bereits gebucht, was eine Anreise am späten Freitagnachmittag bedeutete. Aber bis 17:30 Uhr musste man sein Rad in die Wechselzone eingecheckt haben. Wie sollte das denn gehen?! Nun, ich hatte tatkräftige Unterstützung vor Ort: Lothar! Er hat mich vom Flughafen direkt zur Registrierung gelotst und im Anschluss zu einer Tiefgarage in der Nähe der Wechselzone, wo ich mein Rad zusammenbauen konnte. Rechtzeitig um 17:15 Uhr war ich beim Check In! Doch es war ein besonderer Check In. Ich wurde samt Rad gleich „abgeführt“ – hä? Ein Kampfrichter fragte mich, ob er mein Rad untersuchen dürfe. Na klar, wie könnte ich ihm diese Bitte abschlagen? Er holte sein Tablett heraus und scannte millimetergenau den Rahmen und die Laufräder ab. Jetzt dämmerte es mir: Er sucht einen Elektromotorantrieb! Ich fragte ihn, ob er schon mal jemanden erwischt hätte. Darauf meinte er, jetzt sei sein Glückstag, worauf wir beide herzhaft lachten.



Rad eingecheckt – puh! Die Eröffnungsfeier und anschließende Pasta-Party lasse ich aber sausen, da Lothar mir empfiehlt, mir besser nochmal die Radstrecke anzuschauen. Also machen wir uns mit dem Auto auf. Ich mag meinen Augen kaum glauben, was ich da sehe: In der Stadt gibt es unzählige nahezu meterhohe „Speed-Bumps“. Ein erstes Quarree mit 10 zum Teil engen Kurven ist nach einem Kilometer zu fahren. Warum auch immer! Wahrscheinlich, um die Strecke noch einen Kilometer länger zu machen. Zwei weitere Abstecher mit etlichen Kurven, Auf- und Abfahrten lassen mir den Atem stocken. Die Strecke ist sehr profiliert mit 760 Höhenmeter auf 36 Kilometer! In der Ausschreibung steht: hügelig aber technisch nicht schwierig. Dann frage ich mich, wie eine Strecke in Spanien aussieht, wenn sie technisch schwierig ist? Ich wünsche mir oft eine selektive Radstrecke. Aber so? Soll sie die Anzahl der Überlebenden selektieren? Ich finde sie extrem gefährlich. Glücklicherweise soll es morgen trocken bleiben. Aber hier werde ich trotzdem nur Tourist sein. Auf dieser Strecke würde ich bei dem Heimvorteil der Spanier keine Chance haben.


Die Nacht ist eigentlich ganz gut – wenn da nicht der Müllwagen und die Straßenreinigung wären, die meinen, sie müssten Freitag nach Mitternacht für eine saubere Stadt sorgen. Für die Wahlen? Die Wachphasen nutze ich effektiv, um immer wieder die Radstrecke durchzugehen. Ich habe gehörigen Respekt davor und würde es schon als Erfolg bezeichnen, wenn man ohne Sturz wieder in die Wechselzone kommt. Mein Start ist für 16:35 Uhr angesetzt. Ein letzter Check des Wechselplatzes, ein bisschen einlaufen und nun stehe ich hier eine Viertelstunde vor dem Start meiner Welle mit all den fitten durchtrainierten Athleten. Die Bedingungen sind perfekt: 17 Grad, leicht bewölkt. Die Spanier sind schon sehr beeindruckend. Drahtig. Aber auch zahlenmäßig flößen sie mir Respekt ein. Neben den Spaniern sind auch die US-Amerikaner und die Noch-EU-Briten mit jeweils 10 Athleten am Start in einem Feld von 40 Athleten in meiner Altersklasse M50. Ich bin der einzige Deutsche. Wir starten zusammen mit den Altersklassen M45 und M55. Vor uns sind jüngere Athleten am Start. Darunter auch ein paar Kenianer, die sich im Rahmen eines sozialen Projektes die Teilnahme erarbeitet haben.


Alle sind nervös, tippeln auf der Stelle. Ich nicht. Ich weiß, dass ich nichts draufhabe und habe schon gar keine Ambitionen. Aber ich habe voll Bock und möchte vielleicht die Duathlon-Szene ein bisschen ärgern. Ich ertappe mich dabei, den Konkurrenten auf die Füße zu schauen. Ich habe ja den gerade schnellsten Schuh der Welt an. Der läuft quasi von alleine und verschafft mir einen enormen Vorteil. Das Dumme ist nur, dass ich nicht der einzige Clevere bin. Sind auch nicht blöd, die Spanier. Und dann fällt der Startschuss. Alle stürmen los. Ein bisschen Geschubse hier und da, aber es geht. Die Post geht richtig ab. Das kenne ich vom Schwimmen beim Triathlon, wo ich nicht mithalten kann. Hier auch nicht. Das ist mir einfach zu schnell! Den ersten (flachen) Kilometer laufe ich in 3:34 min. Das kann ich eigentlich nicht durchhalten. Doch ich habe ja den schnellen Schuh an. ? Zunächst geht es vier Runden á 2,5 km durch die engen und verwinkelten Gassen der sehr schönen Altstadt von Pontevedra. Doch für die Schönheiten habe ich kein Auge. Die Strecke ist proppenvoll. Ich muss mich bei den Überholvorgängen konzentrieren, ob ich die Kurven lieber innen oder außen anlaufe. Es ist sehr unrhythmisch. Berghoch schaffe ich gerade mal 3:58 min pro Kilometer, bergrunter aber 3:30 min. Nach einer Runde komme ich den vor mir Laufenden immer näher, insbesondere diesem Argentinier, der exakt so aussieht wie Diego, nur jünger – aber genauso klein und breit. Ich hoffe, dass er nicht so viel intus hat wie Diego. Wie kann der so schnell laufen?! Na ja, immerhin bis hierher. Dann fällt er zurück. Nach der ersten Runde erfahre ich, dass ich an Position 4 liege, nach der zweiten an 3 und nach der dritten an 2. Doch der führende Spanier liegt 1:11 min vor mir. Das ist ne Welt – puh. Doch bis hierher lief es besser als gedacht. 36:35 min brauche ich für die ersten 10 km. Und apropos laufen, kurz vor der Wechselzone überholt mich noch ein Ammi mit den Worten „good job“. Na, schönen Dank auch! Das animiert mich, vor ihm noch aufs Rad zu springen und ihm die Zähne zu zeigen. In der Wechselzone hat mir der Spanier weitere 11 Sekunden abgenommen, liegt jetzt 1:22 min in Führung!


Irgendwie gefällt mir dieses Format. Im Triathlon mühe ich mich stets etliche Minuten nach den Führenden im hinteren Feld aufs Rad. Hier liege ich immerhin schon an Position 2. Doch die Radstrecke wartet noch auf mich! Immerhin kenne ich sie mittlerweile auswendig und fliege über die Speed Bumps in Bunny-Hop-Manier. Nach dem ersten Quarree geht es auf die Bundesstraße, die raus in die Berge führt. Noch ein kurzer Stich mit 12% Steigung und ich mache es mir auf meinem Aerolenker bequem. Die gleichmäßige Steigung von 5% kann man gut in Aeroposition fahren. Zu meiner Überraschung kommt niemand von hinten – im Gegenteil: Irgendwie kommen alle von vorne. Sie scheinen zu stehen. Ich fliege an ihnen vorbei. Vor mir ein erster Kenianer, der fast vom Rad fällt, weil er das Gleichgewicht nicht halten kann. Nach 10 km überhole ich den führenden Spanier. „Gut, dass wir uns die Altersklasse auf die Wade tätowieren mussten.“ Auch ihn lasse ich stehen, was er registriert, wie sich später noch zeigen sollte. Weiter geht mein Husarenritt nun in den letzten längeren Abstecher mit engen Kurven und rasanten Abfahrten. Aber ich habe die Strecke fest im Kopf: Rechts, links, rechts, wieder rechts, links . . . Wendepunkt und zurück auf die Bundesstraße weiter in die Berge. Und schließlich ist der entfernteste Punkt erreicht. Jetzt geht es 12 Kilometer nur noch bergab die breite Bundesstraße zurück in die Stadt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 47 Sachen. Man merkt, dass die Briten auf ihrer Insel auf der falschen Seite fahren. Weil sie sich fast an der Mittellinie der Fahrbahn befinden, muss ich sie bei jedem Überholvorgang anbrüllen. Die letzten zwei Kilometer vor Erreichen der Innenstadt sind die Betonplatten so rau, dass ich krampfhaft meine Aerobars festhalte. „Gut, dass mein Rad schon so alt ist! Sonst hätte ich jetzt ein schlechtes Gewissen.“ Ich werde durch- und wachgerüttelt. Aber das ist gut so, denn es schärft meine Sinne, bevor ich vor dem ersten Speed Bump in der Stadt ausgehebelt werde. Noch eine 180-Grad-Wende und die Wechselzone ist nach 1:00;07 h erreicht. Ein Rad steht aber schon in meinem Block. „Das kann doch gar nicht sein?! Mich hat doch niemand überholt!“


Ich schlüpfe in die Schuhe und eiere los, denn mit Laufen hat es am Anfang nichts zu tun. Doch schnell finde ich meinen Rhythmus. Als ich Anke nach der ersten von zwei Laufrunden erblicke, zuckt sie nur die Schultern: „Es sind noch keine Zwischenzeiten online!“ Also mache ich weiter Druck. Doch die Steigungen in der Altstadt fühlen sich an wie das Matterhorn. „War das vorhin auch so steil?“ Nach drei von fünf Kilometern signalisiert mir Lothar einen Vorsprung von 4:30 min! „Unfassbar! Das kann doch gar nicht sein! Okay, ich fühlte mich auf dem Rad ganz gut, aber so gut?“ Jetzt kommen die Endorphine, die mir den Rest geben. Wie auf einer Wolke schwebe ich über die Strecke und genieße den Zieleinlauf im Stadion. Als der Sprecher verkündet, dass ich der neue Weltmeister bin, ist es gänzlich um mich geschehen: „Wie geil ist das denn!“ Die 5 Kilometer laufe ich sogar noch 6 Sekunden schneller als der Spanier und bleibe als Einziger meiner AK mit 19:59 min unter 20 Minuten. Auch als Einziger bleibe ich in 1:59:09 h unter der zwei Stunden Marke.


Ich gehe in den Athletenbereich, um Anke zu treffen. Dann kommt der zweitplatzierte Spanier auf mich zu, seines Zeichens immerhin Welt- und Europameister im Duathlon, schüttelt mir anerkennend aber ungläubig die Hand und meint: „You are an animal! How could you ride so strongly? You are unbelievable on your bike!“ Später sehe ich, was er damit meint: In meiner Altersklasse war ich mit Abstand der Schnellste in dieser Disziplin! Dem Spanier habe ich auf dem Rad fast sechs Minuten abgenommen. Und auch der zweitschnellste Radfahrer war 4:40 min langsamer. Von allen Teilnehmern über alle Altersklassen hatte ich mit Abstand die schnellste Radzeit. Ich bin rat- und sprachlos! „Robert (Willert2.0), was hast Du mir da wieder für eine Waffe unter den Hintern gezaubert?! Du bist der beste Radmechaniker, den ich kenne!“ Als mir klar wird, dass ich im gesamten Feld Siebter geworden bin und mit einer Ausnahme (M35) in jeder anderen Altersklasse auch eine Medaille gewonnen hätte, ist mit mir nichts mehr anzufangen. „Wie friere ich diesen Moment ein?“

Ergebnisse:

https://triathlon.org/results/result/2019_pontevedra_itu_duathlon_world_championships/342835

https://www.dtu-info.de/news/2019/april/sechs-medaillen-zum-auftakt-in-pontevedra.html